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Ende Polente (zuerst auf YouTube)

Fast drei Jahrzehnte hatte ich die Grundrechte hier verteidigt und dann war plötzlich Schluss. Bevor ich bei der Bullerei landete war ich noch bei Y-Tours dem größten Abenteuerreiseveranstalter Deutschlands. Mein letzter Einsatz beim Bund war Kriegsgräber putzen in Frankreich und bei der Schmiere war es eine Hausdurchsuchung mit Festnahme eines Tatverdächtigen. Die Stimmung war total aufgeheizt und es gab einen kurzen Fight und mir wurde übel und wie ich wieder auf der Straße war sagte ich zu meinem Partner „Das wars für mich.“  An diesem Tag spürte ich etwas neues, was besonderes. Es machte mir Angst. Ein kleiner Junge in mir drin schrie „Es reicht!“

 

Die Polente ist kein alltäglicher Beruf, wo man vielleicht Mohnschnecken oder Brötchen bäckt und wenn die mal etwas dunkler werden, dann macht das nichts oder man macht frische. So geht das als Soldat nicht. Machst du Fehler, kostet das u.U.  Menschenleben, auch deins oder du landest selbst in Knast. Das bedeutet, du findest dich ständig in einem Spannungsfeld wieder, denn Menschen machen Fehler und so wirst du versucht sein, deine Fehler zu verbergen. Überhaupt ist der Job sehr hierarchisch aufgebaut. Es gibt also immer jemanden der dir sagt was du zu tun oder zu lassen hast und wie. Aber das wichtigste in diesem Albtraumjob ist, dass du deine Haut zu Markte trägst und auf einen Teil deiner Grundrechte und vielleicht auch Würde verzichtest, denn auf alles kann ein Staatsgebilde verzichten, nur auf die Ordnungsmacht nicht, fehlt die ist schon nach einem Tag Anarchie, wie in dem Streifen „The Purge“. 

 

Wie ich vor dreißig Jahren bei diesem Verein angefangen hatte, war ich jung und alles war ein großes Abenteuer. Mit den Jahren veränderten sich die Dinge. Gefühlt wurde es nicht besser. Die wöchentliche Arbeitszeit wurde erhöht und man kam mit dem Schichtumlauf nicht mehr auf seine regulären Stunden und musste fortan Sonderdienste an den freien Tagen bringen. War früher mehr Leerlauf zur Regeneration, so war gegen Ende die Schlagzahl so hoch, dass man das Gefühl hatte atemlos zu werden. Was mir auch so langsam auffiel war die Ungleichheit des Systems. Es gab Kollegen die planten ihren nächsten Urlaub auf der Arbeit und surften alle Reiseanbieter ab und andere die standen Knietief im Sumpf der Verbrechen. 

 

Die ersten Jahre waren sehr angenehm. Wir machten viel Sport und ab und zu kam auch mal ein cooler Einsatz, wie das Rolling Stones Konzert in Mannheim und man war ein Teil und fühlte sich super, weil man für die Sicherheit und Ordnung der Besucher verantwortlich war und alle waren gut drauf und wir bekamen noch Kohle dafür. Natürlich gab es auch die anderen Einsätze wie Castor, wo man sich oft auf der falschen Seite wähnte, aber trotzdem mitmachen musste oder anders ausgedrückt man machte mit egal wie sinnlos man etwas fand oder wie krass es gegen eigene Werte verstieß. Nur 1x remonstrierte ich und als das nichts brachte, öffnete ich den Gefkw und ließ die Leute frei, weil sie mir in der alten Kiste ohne Klima in der Sonne zu kollabieren schienen und danach war halt die Hälfte flöten gegangen und ich bekam eine Standpauke vom Einsatzleiter. 

 

Mit den Jahren erklomm man die Karriereleiter, man brauchte nicht viel dafür tun, Hauptsache man sagte das verbotene Wort niemals zum Chef und klaute keine silbernen Löffel. Wer sich erwischen ließ wurde suspendiert oder strafversetzt. Es gab den Sexfoto Skandal´ inkl dem Vorwurf der Vergewaltigung durch Polizisten, ein Obdachloser starb in der Zelle, ein Kollege wurde durch friendly fire während eines Einsatzes getötet und die Liste könnte noch lange so weitergehen. Man hatte oft innerhalb von Sekunden zu entscheiden und das war eigentlich ziemlich unfair und konnte oft nur in die Hose gehen. Es bröckelte und die heile Welt bekam erste Risse. Damals zitierte eine Zeitschrift einen bekannten Anwalt mit den Worten „Ein scheiß Job, mit scheiß Bezahlung.“ Zumindest das mit der Bezahlung änderte sich leicht. 

 

Als junger Mann wollte ich das richtige tun und warum auch immer landete ich nach vielen Brüchen im Lebenslauf bei der grünen Terrakotta Armee. Ich dachte mir, wie cool ist das denn und irgendwie finden doch alle Tatort und Krimis geil. Die Realität stellte sich dann aber ganz anders dar und sie veränderte sich hin zu einem Bürokratie und Kontrollwahnsinn. Früher kam ich auf der Straße mit einem Belehrungsformular und einer Kladde gut klar. Es gab sogar noch Schreibmaschinen und bald kamen die ersten Computer mit der genialen Software M-Text. Auch am Gürtel hängte eigentlich nur die alte P5 und ein paar Handschließen. 20 Jahre später fühlte man sich wie so ein Ninja Turtle. Die tägliche Ausrüstung wog plötzlich so um die 15 Kilo gefühlt und mit einer Schutzweste, rennst du wie einer der mit Klamotten schwimmen muss. Das Bürokratiemonster verdrängte die klassische Ermittlungsarbeit Alles wurde zäher. Es galt immer mehr in der gleichen Zeit zu erledigen. Natürlich war ich froh, dass ich eine Weste hatte und ich trug sie auch immer brav. Früher waren Wiederstände gg. Beamte ein große Ereignis. Heute trauriger Alltag. 

 

Aber was macht dieser Beruf mit dir und wie kannst du dich schützen. Ein Soldat braucht kein Herz oder eins aus Stein. Es gibt noch die Möglichkeit, dass man eine Mauer um sich baut oder besser ein Rolltor. Bei Schichtbeginn zieht man das Rolldings runter und am Ende schiebt man es wieder hoch. Wenn ich zum Dienst ging hörte ich immer Rammstein und auf dem Heimweg Pink Floyd zum Runter kommen. Aber es wird der Tag kommen, wo man vergisst das Tor wieder hochzuziehen.? Sein Herz zu spüren ist für jedes Individuum um Mensch bzw. menschlich zu bleiben, essentiell wichtig, aber man kann die ganzen Gräuel, Schicksale und das Elend und die Opfer auch nicht an sich heranlassen. Einmal zählte ich meine Leichen und ich kam auf eine vierstellige Summe. Während andere Ostereier suchten kniete ich über einem verstorbenen Mann mit Kot- und Urinabgang oder an Weihnachten fuhr ich zu einer Kindsleiche und oft arbeitete ich mit Tränen in den  Augen. Die Angst vor einem Fangschuss war ein ständiger Begleiter und Irgendwann bekam ich Alpträume in denen ich knöcheltief durch Blut lief und mich die ganzen Toten baten doch gute Fotos von ihnen für den Ermittlungsbericht zu schießen, aber das ging nicht, denn viele waren total entstellt oder lagen Wochen in der Sommerhitze rum.

 

Kommen wir zum Fazit. Krieger wollen für eine gerechte Sache oder zumindest für einen fairen König kämpfen und damit hört das normale Leben auf. C.G.Jung hat hierüber seine Archetypen klassifiziert. Nicht jeder taugt zum Krieger. Ihr könnt diesen Spagat wagen. Hier Schlachtfeld und dort das heimelige Zuhause oder hier Kämpfer und dort liebevoller Familienmensch. Euer Partner und vielleicht auch die Familie muss geduldig sein. 

Ihr solltet aufpassen, dass ihr nicht zu sehr abstumpft und den letzten Funken Menschlichkeit in euch begrabt. Solange ihr in diesem Job noch psychisch bzw. physisch krank werdet, habt ihr dieses wärmende Feuer in euch, diese Glut und ihr könnt auch wieder zurück. Erich Fromm meinte hierzu: „Die Kranken sind die normalen …“. 

 

Die Gefahr zum lebenden Toten zu werden ist aber sehr groß, überhaupt hat dieser Job viele Gefahren zumindest wenn man an der Front eingesetzt wird. Es ist aber auch eine Ehrbare Tätigkeit, wenn sie auch nicht hoch alimentiert wird, so sind euch Ruhm und Ehre sicher. Bei mir war das Fass voll und so ging ich wie dieser Joe Kenda aus dem Rennen. Heute nenne ich es wie in diesem Streifen „Pulp Fiktion“ göttliche Fügung und bin dankbar für alle die diesen Job für unsere Freiheit weiter machen und bereit sind diese Opfer zu bringen.  

Machst gut und chillt auch mal und geht raus in die Natur und reflektiert ob ihr noch auf dem richtigen Pfad wandelt.